Das Pflichtlagersystem ist für die importabhängige Schweiz als vorsorgliche Massnahme von grosser Bedeutung. Kann die Nachfrage nach wichtigen Grundversorgungsgütern aufgrund eines Engpasses über den Markt nicht mehr gedeckt werden, stellen Vorräte, die bei Bedarf freigegeben werden können, ein wertvolles Instrument der wirtschaftlichen Landesversorgung (WL) dar.

Das Pflichtlagersystem
Das Pflichtlagersystem basiert auf der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der Wirtschaft. Der Bund legt die Zusammensetzung und das Ausmass der Pflichtlager fest. Die Vorräte werden jedoch nicht vom Bund, sondern von privaten Unternehmen gehalten und sind in deren Eigentum. Ende 2022 hielten rund 280 Unternehmen ein Pflichtlager.
Das BWL schliesst mit den betroffenen Firmen Pflichtlagerverträge ab. In diesen Verträgen verpflichten sich die Unternehmen, von einem bestimmten Gut eine bestimmte Menge in einer bestimmten Qualität an einem bestimmten Ort zu lagern. Die Pflichtlagerprodukte werden regelmässig umgeschlagen und über die normalen Absatzkanäle der Firmen verkauft. Das BWL oder eine von ihm beauftragte Kontrollstelle überprüft die Pflichtlager periodisch.
Die übergeordneten gesetzlichen Rahmen für die Vorratshaltung sind die Bundesverfassung (Artikel 102) und das Landesversorgungsgesetz (Artikel 7, Absatz 1 und 2).
Pflichtlagersortiment
Das Pflichtlagersortiment der Schweiz umfasst Waren in vier Kategorien: Lebensmittel, Energie, Heilmittel und Industrie. Ausführlichere Informationen zu den Waren finden Sie in der Informationsbox unten.
Die Ernährungspflichtlager umfassen einerseits direkt konsumierbare Nahrungsmittel wie Zucker, Reis oder Speiseöle, andererseits Produkte, die vor dem Konsum zu verarbeiten sind, wie etwa Brotgetreide. Schliesslich werden auch Produktionsfaktoren wie Dünger und Futtermittel gehalten. Die Warenmengen sollen dem durchschnittlichen schweizerischen Bedarf von drei bis vier Monaten entsprechen. Gegenwärtig wird eine Vernehmlassung zum Ausbau der Pflichtlager im Bereich Ernährung durchgeführt.
Ware | Menge | Bedarfsdeckung | Art der Vorratshaltung |
---|---|---|---|
Zucker | 55'000 t | 3 Monate | obligatorisch |
Reis | 16'400 t | 4 Monate | obligatorisch |
Speiseöle und -fette | 35'000 t | 4 Monate | obligatorisch |
Kaffee | 18'750 t | 3 Monate | obligatorisch |
Brotweizen | 160'000 t | 4 Monate | obligatorisch |
Hartweizen | 23'000 t | 4 Monate | obligatorisch |
Zweiseitig verwendbarer Weizen | 140'000 t | 3 Monate | obligatorisch |
Proteinträger zu Futterzwecken | 93'000 t | 2 Monate | obligatorisch |
Stickstoff-Dünger | 17'000 t | 1/3 der Vegetationsperiode | obligatorisch |
Bei der Sicherstellung der Energieversorgung stehen Mineralöl, Erdgas und Elektrizität im Vordergrund. Autobenzine, Diesel- und Heizöle entsprechen dem durchschnittlichen schweizerischen Bedarf von viereinhalb Monaten, Flugpetrol dem Bedarf von drei Monaten.
Ware | Menge | Bedarfsdeckung | Art der Vorratshaltung |
---|---|---|---|
Benzin | 1'178'000 m³ | 4,5 Monate | obligatorisch |
Dieselöl | 1'260'000 m³ | 4,5 Monate | obligatorisch |
Flugpetrol | 495'000 m³ | 3 Monate | obligatorisch |
Heizöl extra leicht | 1'057'000 m³ | 4,5 Monate | obligatorisch |
Heizöl extra leicht als Gasersatz | 380'000 m³ | 4,5 Monate | obligatorisch |
Uran-Brennelemente | - | Nachladung für 2 Reaktoren | ergänzend |
An Pflichtlager liegen Human-Antiinfektiva für fünf bis sechs Monate, die gegen alle gängigen Infektions-krankheiten eingesetzt werden. Für den Fall einer Influenza-Pandemie besteht ein Pflichtlager an Virostatika. Starke Schmerzmittel werden für einen 3-Monatsbedarf und Impfstoffe für einen 4-Monatsbedarf an Lager gehalten. Im Veterinärbereich sind Arzneimittel für den durchschnittlichen Verbrauch von zwei Monaten an Pflichtlager.
Ware | Bedarfsdeckung | Art der Vorratshaltung |
---|---|---|
Human-Antiinfektiva (dosierte Handelsformen) | 3 Monate | obligatorisch |
Human-Antiinfektiva (Wirkstoffe) | 2-3 Monate | obligatorisch |
Veterinär-Antiinfektiva | 2 Monate | obligatorisch |
Neuraminidasehemmer | Pandemie | obligatorisch |
Starke Analgetika und Opiate | 3 Monate | obligatorisch |
Impstoffe | 4 Monate | obligatorisch |
Blutbeutelsysteme | 3 Monate | ergänzend |
Ware | Menge | Art der Vorratshaltung |
---|---|---|
Ethanol | 6'000 t | Sicherstellungsvertrag |
Kunststoffgranulate | 81 t | Ergänzende Pflichtlagerhaltung |
Freigabe von Pflichtlagern
Pflichtlager werden im Falle einer schweren landesweiten Mangellage eingesetzt. In dieser Situation kann die Wirtschaft die Nachfrage auf dem Markt nicht mehr aus eigener Kraft decken. Um die Lage zu entspannen, kann eine Pflichtlagerfreigabe durchgeführt werden. Dies geschieht wie folgt:
Die Wirtschaftliche Landesversorgung analysiert die Versorgungslage und kommt zu dem Schluss, dass eine Pflichtlagerfreigabe notwendig ist. Sie stellt einen Antrag zur Freigabe an das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), welches die Freigabe mittels einer Verordnung genehmigt. Danach passt das BWL die Pflichtlagerverträge an. Eine Freigabe wird dann auf Antrag des BWL wieder aufgehoben, wenn sich die Lage auf dem Markt normalisiert hat.
Das BWL kann bis 20% der Mengen der Pflichtlager selbst freigeben.
Wie viel kostet die Pflichtlagerhaltung?
Die Kosten der Pflichtlagerhaltung werden von den Unternehmen auf die Verkaufspreise überwälzt und damit von den Konsumenten getragen. Im Bereich der Nahrungs- und Futtermittel werden die Kosten für Getreide, Speiseöle und -fette sowie für Zucker indirekt vom Bund getragen.
Im Durchschnitt bezahlt jeder Einwohner der Schweiz auf diese Weise jährlich ca. CHF 13.-- für die wirtschaftliche Landesversorgung (Stand: 31. Dezember 2022).
Weitere Informationen zur Vorratshaltung
Pflichtlagerdarlehen
Pflichtlagerdarlehen
Der Bund erleichtert die Finanzierung der Pflichtlagerhaltung, indem er den Unternehmen zur Finanzierung der Lager Garantien auf Bankdarlehen, sogenannte Pflichtlagerdarlehen gewährt. Auf Grund der Bundesgarantie sind die Geschäftsbanken bereit, für diese Darlehen einen Compounded SARON (Swiss Average Rate Overnight) als Zinssatz zu benutzen. Bei negativen SARON-Zinssätzen wird ein Zinssatz von 0 % angewendet. Im Weiteren gewährt der Bund auf Pflichtlagern zusätzliche steuerliche Abschreibungen.
Garantiefonds
Garantiefonds

Die Garantiefonds dienen zur Deckung der Lager- und Kapitalkosten und des Preisverlustes auf Pflichtlagerwaren. Die Pflichtlagerorganisationen erfüllen zudem Aufgaben, die ihnen vom Bund im Zusammenhang mit der Pflichtlagerhaltung übertragen wurden (z.B. Kontrolle der Pflichtlager). Die Fondsmittel werden von den Pflichtlagerorganisationen verwaltet und stehen nicht im Eigentum ihrer einzelnen Mitglieder oder des Bundes. Das BWL prüft die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der Mittelerhebung.
Die Garantiefonds werden auf zwei Arten durch Abgaben auf lagerpflichtigen Gütern alimentiert. Beim System der Erstinverkehrbringung werden Garantiefondsbeiträge sowohl auf importierten als auch im Inland produzierten Waren erhoben, während beim System der Grenzabgaben nur Importe belastet werden. Die réservesuisse und die CARBURA erheben die Garantiefondsbeiträge beim Import, die Provisiogas, die Agricura und die Helvecura beim ersten Inverkehrbringen von lagerpflichtigen Waren.
Ergänzende Pflichtlager
Ergänzende Pflichtlager
Lebenswichtige Güter, für die der Bundesrat keine obligatorische Vorratshaltung vorschreibt, können der ergänzenden Pflichtlagerhaltung unterstellt werden. Dazu schliesst das BWL mit den betroffenen Unternehmen im gegenseitigen Einvernehmen Pflichtlagerverträge ab. Das Instrument der ergänzenden Pflichtlagerhaltung kommt zum Einsatz, wenn lebenswichtige Waren vorrätig gehalten werden sollen, für die im Normalfall nur eine geringe Nachfrage besteht oder die nur von wenigen Marktteilnehmern angeboten werden. Dazu gehören unter anderem verschiedene Arzneimittel, Medizinprodukte sowie Kunststoffgranulate für die Verpackungsindustrie. Die ergänzenden Pflichtlager machen einen kleinen Bruchteil der gesamten Pflichtlagerhaltung aus.
Letzte Änderung 23.08.2023