Wie kann die wirtschaftliche Landesversorgung (WL) eingreifen, wenn es zu wenige oder keine Gas-Lieferungen mehr gibt?
Wenn es weniger Gas gibt, kann die Schweiz nicht auf eigene Gas-Speicher zurückgreifen. Deshalb wird mit verschiedenen Massnahmen die noch verfügbare Menge Erdgas bestmöglich genutzt. Die Massnahmen erfolgen schrittweise: Bei einer drohenden Mangellage im Gasbereich richtet sich der Bund zusammen mit der Gasbranche mit Sparappellen an alle Erdgasverbraucher. Diese Empfehlungen sollen dazu beitragen, den Verbrauch von Erdgas deutlich zu senken. Private Haushalte, die mit Gas ihre Wohnung und das Wasser heizen oder kochen, können mit geringen Einschränkungen gute Resultate erzielen und zugleich sparen. Mit einer Reduktion der Raumtemperatur um ein Grad während der Heizperiode reduziert sich der Gasverbrauch um rund 6 Prozent. Weitere Massnahmen finden Sie hier: Sparappelle Erdgasverbrauch (admin.ch)
Gleichzeitig wird die Umschaltung der Zweistoffkunden angekündigt. Diese können in ihrem Betrieb von Erdgas auf Erdöl oder andere Brennstoffe wechseln. Die Umschaltung erfolgt dann per Verordnung, wenn in der Schweiz weniger Gas verfügbar ist. Kommt es zur gleichen Zeit zu einer Mangellage im Mineralölbereich, gibt es ein Heizöl-Pflichtlager, das extra für die Zweistoffkunden angelegt ist. Wenn die Sparappelle und die Umschaltung von Zweistoffanlagen nicht genügen, um die Gasmangellage zu bewältigen, kommt es zu Kontingentierungen des Erdgasverbrauchs von Einstoffanlagen.
Welche Massnahmen wurden bisher bereits umgesetzt?
Der Bundesrat hat bereits am 4. März 2022 die Voraussetzungen geschaffen, damit die Gasbranche gemeinsam Gas beschaffen kann. Am 18. Mai 2022 hat er das Konzept der Gasbranche zur Kenntnis genommen. Am 29. Juni 2022 hat er die regionalen Gasversorger gestützt auf das Landesversorgungsgesetz verpflichtet, eine physische Gasreserve in Gasspeichern der Nachbarländer sowie Optionen für zusätzliches nicht-russisches Gas zu beschaffen.
Am 4. Mai 2022 hat der Bundesrat den Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) beauftragt, eine Kriseninterventionsorganisation (KIO) für den Gassektor aufzubauen; der Bundesrat hat den VSG zudem beauftragt, ein Konzept für ein Monitoring aufzubauen. Gleichzeitig wurde ein Monitoringsystem bei Swissgrid für den Strombereich lanciert.
Da es in der Schweiz es kein Gasversorgungsgesetz und damit (anders als im Strombereich) auch keinen Netzbetreiber wie Swissgrid oder keine Regulierungsbehörde wie die ElCom gibt, musste die KIO vollständig neu aufgebaut werden. Auch die Datenlage ist derzeit ungenügend. Deshalb wird ein Monitoringsystem eingerichtet, das den Fachpersonen ab Anfang Dezember zur Verfügung stehen und ihnen als Entscheidungshilfe dienen soll
Tatsächlich wurde aber in der Schweiz, wie auch insgesamt in Europa, die geopolitische Dimension des Gases unterschätzt. Die Branche ging davon aus, dass mit der Einführung des reverse flow, d.h. dass die Pipeline in beide Richtungen Gas transportieren kann, die Versorgung gesichert ist. Das hat sich als Fehleinschätzung erwiesen, da auch Norditalien stark von russischen Gasimporten abhängig ist.
Was tut der Bundesrat, um die Gaslieferungen in die Schweiz zu sichern?
Die Schweiz verhandelt Solidaritätsabkommen mit unseren Nachbarstaaten. Diese decken aber nur die Versorgung der «geschützten Kundinnen und Kunden» ab.
Die Schweiz beteiligt sich solidarisch an der Reduktion des Gasverbrauchs. Zudem haben wir uns bereits freiwillig an der Füllung der europäischen Gasspeicher beteiligt, indem die Gasbranche verpflichtet wurde, 15% des Jahresverbrauchs in Speichern die Nachbarländer abzusichern.
Weshalb gibt es keinen genauen Plan?
Ein genauer Plan ist nicht möglich und es sollen auch keine falschen Hoffnungen geweckt werden. Der Fokus liegt in ganz Europa darauf, eine Mangellage zu verhindern. Falls es trotzdem zu einer solchen kommen sollte, könnten die freiwilligen Sparapelle zusammen mit der Umschaltung der Zweistoffanlagen allenfalls ausreichen. Exportverbote in den Nachbarländern könnten aber zu einer abrupten Verschlechterung der Versorgung führen. Die Schweiz muss sich daher auch auf solche Fälle vorbereiten.
Deshalb wurde eine Konsultation durchgeführt, die das vollständige Set der möglichen Massnahmen für den Fall einer schweren Mangellage zeigt. Nur in einer sehr schweren Mangellage wäre es denkbar, dass alle Bestimmungen gleichzeitig umgesetzt werden müssten. Die umgesetzten Massnahmen müssen immer verhältnismässig sein und der jeweiligen Schwere einer Mangellage angepasst werden.
Weshalb werden nicht bereits jetzt verbindliche Massnahmen erlassen?
Die vorliegenden Verordnungsentwürfe basieren auf dem Landesversorgungsgesetz (LVG). Dieses Gesetz ermöglicht im Fall einer schweren Mangellage mit lebenswichtigen Gütern starke Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit. Diese können aber nicht bereits jetzt erlassen werden, da die Versorgung der Schweiz derzeit gesichert ist. Deshalb hat der Bund eine Sparkampagne lanciert und setzt auf das freiwillige Engagement von Bevölkerung und Wirtschaft.
Weshalb wird nicht zwischen Erdgas und Biogas unterschieden?
Die Verbote und die Kontingentierung beziehen sich auf leitungsgebundenes Gas. In einer Pipeline kann nicht zwischen Biogas und Erdgas unterschieden werden. .
Weshalb wurden keine Gasspeicher in der Landesversorgung festgeschrieben und damit physische Reserven in der Schweiz sichergestellt?
Die Gasversorgung wurde von der Branche als sicher eingestuft mit Haupteinspeisepunkten im Norden, Westen und Süden. Ein Szenario mit einer Unterbrechung der Versorgungsrouten aus Russland existierte weder auf nationaler noch europäischer Ebene. Mangels physischer Speichermöglichkeiten in der Schweiz wurden Ersatzpflichtlager in Form von Heizöl vorgeschrieben, für 4,5 Monate Normalverbrauch von Zweistoffanlagen (Letztere können mit Gas und Heizöl betrieben werden).